Monatsarchiv für März 2004

Die Wahrheit ist eine Bedrohung

Dienstag, den 9. März 2004

Die “Yes Men” über Blutegel, Identitätskorrektur, eindeutige und zweideutige Parodie, Freedom Camps und Bösewichte

Da hatten sich zwei gesucht und gefunden: Schon unabhängig voneinander hatten sie subtile Verunsicherungen in unsere Welt getragen, hatten mit Humor der vertrauten Realität ein bisserl ans Bein gepinkelt. Andy Bichlbaum hat, damals Angestellter von Maxis, im Auftrag von Rtmark dafür gesorgt, dass bei dem Computerspiel SimCopter zu gewissen Zeiten sich die virtuellen Passanten der simulierten Welt in schwule Bodybuilder verwandeln. Mike Bonanno hat mit der Barbie Liberation Organization sprechende Barbie- und G.I.Joe- Puppen gekauft, deren Voiceboxes ausgestauscht, und das Spielzeug mittels – wie sie es nannten – “shopgiving” wieder in den Handel gebracht, so dass die Kleinen unter dem Weihnachtsbaum dann Plastiksoldaten hatten, die “I wanna go shopping with you!” quiekten oder Miniatur-Blondinen, die knurrten, dass ein Toter keine Geschichten mehr erzähle.

Als sie sich schließlich kennen gelernt hatten, wendeten sie ihre kreative, subversive Energie dem Internet zu: Erste Aufmerksamkeit erregten sie mit einer gefakten Homepage von George W. Bush. Und dann sicherten sie sich den Domainnamen GATT und errichteten dort (“GATT” war die Grundlage der World Trade Organisation) eine gefälschte Seite der WTO – die so überzeugend gelungen war, dass bald erste ernsthafte Anfragen an die WTO per Mail eintrafen.

Bichlbaum und Bonanno – sich als Team The Yes Men nennend – nutzten die Gelegenheit: Bald vertraten sie nicht nur im virtuellen Raum die WTO, sondern nahmen auch Einladungen zu Kongressen in deren Namen an oder stellten Interviewpartner für Fernseh-Diskussionen. Nach einem eher zaghaften Debut bei einer Konferenz in Salzburg merkten sie bald, dass der Schwindel nicht wie erwartet sofort auffliegen würde, sobald sie gewisse WTO-Geisteshaltungen ins Karikaturhafte krass übersteigert zum Besten gaben. Also wurden ihre Auftritte immer gewagter und bizarrer: Sie stellten (“The Future of Textiles”) goldene Freizeitanzüge für Manager vor, mit einem aufblasbaren Riesenphallus, an dessen Spitze ein Monitor die Überwachung der in irgendwelchen weit entfernten Billiglohnländern schuftenden Arbeiter erlaubt.

Sie präsentierten ein Projekt, die Fäkalien der westlichen Industrienationen zu McDonald’s-Burgern zweiter Generation für die Hungerregionen zu recyclen. Und sie verkündeten schließlich sogar die Selbstauflösung der WTO an die Weltpresse. Nun haben Chris Smith, Dan Ollman und Sarah Price eine Dokumentation über The Yes Men gedreht, die auf der diesjährigen Berlinale einem weitgehend begeisterten Publikum vorgestellt wurde. Dort traf Telepolis-Autor Thomas Willmann, Andy Bichlbaum und Mike Bonanno zum Gespräch.

Zum vollständigen Artikel mit Interview auf Telepolis.de unter http://www.telepolis.de/deutsch/inhalt/co/16863/1.html